Nachruf   Friedrich Hinterberger

Beitrag von  Friedrich Hinterberger -  Wien

„Es geht“ – weiter

Friedrich „Bio“ Schmidt-Bleek hat im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts die globale Umweltdebatte zweimal nachhaltig verändert. In den 1970er Jahren ging es zunächst um ganz konkrete Gifte, die unsere Gesundheit bedrohten. Und 20 Jahre später machte „Vater“ des deutschen und internationalen Chemikalienrechts dann eine Kehrtwende, als er sich dafür einsetzte, nicht mehr einzelnen Schadstoffen hinterher zu hecheln, sondern insgesamt weniger Ressourcen zu verbrauchen. Er forderte eine Reduktion der „ökologischen Rucksäcke“ um 90% in den nächsten fünf Jahrzehnten. Weniger Ressourcen zu verbrauchen, so Schmidt-Bleek, sei dringend erforderlich und könne auch nicht verkehrt sein. Ressourcen verursachten nämlich dreimal Kosten: Sie müssten erst für teures Geld gekauft, dann unter großem Energie- und Arbeitseinsatz verarbeitet und schließlich in der einen oder anderen Form entsorgt werden. Nur ein Bruchteil der Ressourcen, die für die Herstellung benötigt würden, käme mit dem verkauften Produkt beim Verbraucher an, um dann eher früher als später auf dem Müll zu landen. Gut für die Wirtschaft, gut für die Arbeitsplätze, aber wahnsinnig ineffizient.
Wenn heute von Carbon Footprints und globalen Gigatonnen an CO2 die Rede ist, die es dramatisch zu reduzieren gilt, ist das auch ihm zu verdanken. Das geht nur mit einer umfassenden „Ressourcenwende“. Unser „ökologischer Rucksack“ ist einfach zu schwer, als dass man auf einzelne Schadstoffe schauen dürfte. Dass haben wir vor 25 Jahren von „Bio“ gelernt.
Über 70 Milliarden Tonnen Natur werden weltweit pro Jahr aus der Erde geholt oder geerntet: fast doppelt so viel wie vor 30 Jahren. Davon werden deutlich mehr als 10 Milliarden Tonnen international gehandelt. Ressourcenverbrauch dieses Ausmaßes bedeutet gravierende Veränderungen der ökologischen Gleichgewichte auf dem Planeten: Klimawandel und Artensterben, Wassermangel, Ausbreitung von Wüsten und die Gefährdung der Ernährungssicherheit sind nur die heute schon am deutlichsten zutage tretenden Auswirkungen.
In einem letzten Video, das Ende Mai 2019 entstanden ist, hat er seine Sicht der Dinge anlässlich einer Veranstaltung des Austrian Chapter des Club of Rome zu seinen Ehren noch einmal aus einem ganz neuen Blickwinkel zusammen gefasst. Darin beschreibt er die Natur als „Primärwirtschaft“ – als Grundlage von allem, was der Mensch wirtschaftlich unter Benutzung natürlicher Ressourcen tut: der „Sekundärwirtschaft“. Und erst in einer dritten Spähre, der Sphäre des Geldes, die er als „Tertiärwirtschaft“ bezeichnet, passiere das, was uns heute so große Probleme bereitet: die globale Übernutzung der Biosphäre.

Friedrich Schmidt-Bleek, der sich selbst „Bio“ nannte, glaubte bis zuletzt daran, dass sich dieses Rad wieder auf ein für die Ökosphäre erträgliches Maß zurück schrauben lässt. Und vieles von dem, was „Bio“ seit 30 Jahren fordert, ist heute – wenn auch noch lange nicht so radikal wie von ihm gedacht – Mainstream. Sein letztes öffentliches Plädoyer endet mit den Worten „ich glaub‘ es geht“. Das zu erreichen, ist jetzt unsere Aufgabe.